Ich glaube, ich hab da was entdeckt. Ein psychologisches Verhaltensmuster, das mich von meinem Schmerz ablenken soll. Meine Freundin fühlte sich (mal wieder) zu einem gemeinsamen Freund hingezogen und schwärmte von der Herzensverbindung. Das verletzte mich natürlich und konfrontierte mich (mal wieder) mit Gefühlen von Eifersucht und Verlustangst. Alles Dinge, die ich natürlich nicht super gerne fühle, aber die da sind.
Meine unbewusste Reaktion darauf ist, mich innerlich von ihr zu distanzieren. Denn wenn ich nichts für sie empfinde, kann ich auch nicht von ihr „verletzt werden“. Das ist die Logik meines kleinen, verletzten, inneren Kindes.
Ein anderer Mechanismus, der wahrscheinlich damit zu tun hat, dass ich das Fühlen der Schmerzen vermeiden will, ist der unbewusste und umgekehrte Versuch, meine Freundin eifersüchtig zu machen und sie mit ihrer Verlustangst zu konfrontieren. Das geht einfach, indem ich vermehrt mit anderen Frauen bin, anstatt mit ihr.
Das ist natürlich ein abgekartetes Spiel, das nichts mit Liebe zu tun hat. Aber es passiert, bei uns und in den meisten anderen zwischenmenschlichen Beziehung, in denen es um eine Abhängigkeitsbeziehung geht (Partnerschaft, Elternschaft, Freundschaft, usw.), weil beide ihre seelischen Schmerzen noch nicht komplett aufgearbeitet haben. Verdeckt und auf unbewusster Ebene. Subtil, aber wirkungsvoll.
Alles, was ich an Gefühlen selbst nicht spüren will, das füge ich einfach anderen zu.
Dadurch löst sich zwar nicht mein Problem, das ich mit meinen Gefühlen habe, aber der Schmerzkörper, so wie ihn Eckhart Tolle beschreibt, wird dadurch befriedigt und kann weiterleben.
Ein Lösungsweg für den Umgang mit seelischen Verletzungen
Ein konstruktiver Umgang mit Gefühlen ist herzlich einfach, aber für viele Menschen schwierig. Es ist Kommunikation. Weil mir meine Fluchtmechanismen, wie oben beschrieben, zum Teil bewusst sind, wenn es um das Verletztwerden geht, ist es bei solchen Angelegenheiten mein größter Wunsch, die Sache sofort in einem offenem Gespräch zu klären. Dabei sprechen wir über unsere Ängste, Gefühle, Gedanken, Sehnsüchte, Wünsche, Bedürfnisse usw., also jeweils von uns selbst. Ohne Beschuldigungen und Vorwürfe.
Das offene Sprechen über das, was man in sich und dem anderen gegenüber fühlt, kann ich für eine funktionierende Beziehung in Partnerschaft oder Freundschaft äußerst empfehlen. Natürlich geht das damit einher, dass man sich auch öffnet und sich auf einer anderen Ebene seinem Schmerz widmet, nicht destruktiv und verletzend, sondern konstruktiv und klärend.
Wenn ein anderer Mensch ein Problem mit deinem Verhalten hat, ist das nämlich nicht immer nur sein Problem, weil er noch einen Schmerz in sich trägt, der getriggert (ausgelöst) wurde. Nein. Wenn du an einer ehrlichen, zwischenmenschliche Beziehung interessiert bist, gehst du hier auch als „Auslöser“ des Schmerzes in liebevollen Kontakt mit dem anderen, denn höchstwahrscheinlich ist die Sache verstrickter, als sie zu sein scheint, und es befinden sich dort auch Verbindungen zu ungeheilten Wunden auf deiner Seite.
Das bedeutet nicht, dass man den Therapeuten für den anderen spielt oder sich als „seelischer Mülleimer“ aufopfert. Keineswegs. Es geht im Prinzip nur um das Da-Sein mit dem anderen. In der Verbindung bleiben und zuhören. Nicht wertend zuhören, sondern offen, aufmerksam und mitfühlend. Die Frage, was das Ganze mit dir zu tun hat, kann dabei am Ende auch helfen, um noch unbewusste Muster aufzudecken.
Das Ergebnis solch eines offenes Gespräches bedeutet auch nicht, dass man nach den Bedürfnissen des anderen tanzt und das eigene Verhalten komplett verändert, nur um den anderen in Zukunft nicht mehr zu „verletzten“. Es geht lediglich um einen bewussten Umgang mit sich selbst. Wenn da verborgene Sehnsüchte nach Abenteuer, Abwechslung oder Aufmerksamkeit hinter deinen eigenen Handlungen stecken, dann geht es darum, diese zu erkennen, zu kommunizieren und, wenn beide Lust dazu haben, dafür eine Lösung zu finden. Auch liegt es an der eigenen Kreativität, das in die Beziehung zu bringen, was du selbst vermisst.
Seelische Verletzungen und Schmerzen: Gefühle einfach da sein lassen und fühlen
Da ich jetzt meine unbewussten Muster immer mehr durchschaue und auch erkenne, um was es eigentlich geht, bin ich auch in der Lage, die Sache mit mir selbst zu klären, was am besten auch in beiden Fällen geschehen sollte, egal ob die andere Person mit mir reden will oder nicht.
Denn letztlich geht es um das Durchfühlen deiner Gefühle, die jetzt da sind, ohne etwas damit machen zu wollen. Jede Verdrängung oder Ablenkung davon ist keine Heilung, sondern nur Betäubung, egal ob du dich selbst ablenkst oder mit deinem Partner, indem ihr nicht auf die Ursache des Problems eingeht. In solchen Fällen mag es für den Moment einfacher sein, den anderen zu trösten, zu sagen, dass man ihn nicht mehr „verletze“. Ein anderer beliebter Weg ist „Versöhnunssex“.
Das ist dann nicht der bewusste Weg, sondern nur eine Symptombehandlung, die nicht auf radikaler Ehrlichkeit zu den eigenen Gefühlen beruht, sondern auf gegenseitiger Bedürfnisbefriedigung. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis genau dieser Schmerz wieder getriggert wird. Oder der Partner nimmt sich so sehr in seinen Sehnsüchten zurück, nur um es dem anderen recht zu machen, dass seine Lebendigkeit und sein Potenzial stirbt, weil sie keinen Ausdruck finden.
Gefühle wollen zugelassen und durchlebt werden, die vielleicht seit vielen Jahren, manchmal seit der Kindheit, verdrängt wurden und noch keinen Ausdruck gefunden haben. Wir müssen dabei nichts damit machen, sondern das Fühlen einfach zulassen und geschehen lassen. Sich verspannen, das Gefühl zu unterdrücken, sich davon ablenken oder in Gedanken sein, ist „etwas damit machen“, was wieder nur eine Vermeidungsstrategie und keine Lösung ist.
Deshalb ist es für mich (in einer Partnerschaft) gerade auch so wichtig, sich Zeiten des Alleinseins zu nehmen, wenn intensive Gefühle aufkommen, damit ich sie komplett und ohne Ablenkung durchleben kann. Der Dialog mit dem anderen ist mir dabei aber auch genau so wichtig, um an die Tiefen der verborgenen Gefühle zu kommen.
Gefühle und Verletzungen als Signal
Wir können also jede seelische Verletzung, jedes intensive Gefühl, jede emotionale Reaktion als Alarmsignal sehen. Dann geht es darum, das zu fühlen, was jetzt da ist, nichts damit zu machen, nicht zu bewerten, sich nicht (durch Denken) abzulenken und das Gefühl nicht aktiv zu verändern. Wenn wir uns dem Gefühl hingeben, sinken wir tiefer in uns und verstehen dadurch auch wie von selbst die Hintergründe, indem wir den Schmerz oder was auch immer es ist, einfach nur zulassen.
Solche Gefühle sind dann natürlich auch ein Anlass für ein Gespräch, in dem man sich füreinander öffnet und Tacheles spricht. Nicht jeder Mensch ist bereit dafür, weshalb es primär um das Fühlen der eigenen Gefühle geht. Wir können es nicht von anderen erwarten, dass sie sich uns öffnen, um die wahren Hintergründe der Verletzungen zu erkennen. Aber der andere kann genau so wenig erwarten, dass wir ein unbewusst manipulatives Spiel mitspielen, wenn wir dazu keine Lust mehr haben.
Die radikale Ehrlichkeit zu deinen Gefühlen und all dessen, was in dir ist, wie auch das Mitteilen deiner Gefühle gegenüber dem anderen, weisen dir dabei den Weg zu aufrichtigen Entscheidungen, wie du oder ihr mit der Sache umgehen wollt.
Wenn du dich in diesem Text wiedererkennst, dann hast du nun die Wahl: Schmerzvermeidung oder inneres Wachstum durch Fühlen, Ehrlichkeit und Kommunikation. Mein Weg ist klar die zweite Option, sonst bräuchte hier nicht darüber zu schreiben. Aber auch ich habe nicht permanent Lust, endlos zu reflektieren und mich einem „spirituellen Ideal, das frei von Bedürfnissen ist“, anzunähern. Nein, ich stehe auch gerne mal zu meinen Bedürfnissen und Wünschen, die ich als Mensch nun mal habe und haben darf.
Finde also deine Balance zwischen Wachsen und Ausruhen, aber lebe vor allem die Ehrlichkeit zu dir selbst und deiner Umwelt. Und das ist natürlich auch eine Erinnerung für mich :-)
PS: Die Angst vor seelischen Verletzungen ist, wie jede andere Angst nicht real. Auch wenn wir die Angst zulassen, dass sie da sein darf, wird sie uns nicht umbringen. Je tiefer wir uns in die Angst fallen lassen und sie durchfühlen, desto weniger Macht hat sie über uns, weil mir merken, dass sie gar nicht so schlimm ist, wie wir dachten. Wie du Angst im Allgemeinen überwindest, erfährst du hier: Angst überwinden.
Wie gehst du mit deinen seelischen Verletzungen und der Angst davor um?
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