Wenn du mich fragst, wo ich in Berlin die meiste Zeit verbringe, so würde ich antworten: „In meinen 4 Wänden, auf Wiesen und zwischen Bäumen.“ Ich bin nicht mehr der, der jedes Wochenende feiern geht. Das Bewusstsein mit Alkohol betäuben und in dunklen, verrauchten Orten mit lauter Musik ein Ich zeigen, das ich nicht wirklich bin. Hier in Thailand begegne ich dieser Parallelwelt immer wieder, sie ist allgegenwärtig.
Ich weiß nicht, wieso sie mir immer wieder ins Auge fällt und für ein Aufstoßen sorgt. Vielleicht soll ich darüber schreiben. In Bangkok habe ich viel gesehen und war mit Freunden auch mal auf der Khaosan Road unterwegs. Das ist so was wie die Schinkenstraße auf Mallorca: Touristen, Bier und billige Musik (Die Musik in der Khaosan Road ist besser).
Das Niveau ist dementsprechend ähnlich. Da kann es schon mal vorkommen, dass ein Engländer einfach so einen Tisch voller Bierflaschen auf seinen Kompanion kippt, der dann übergossen wird und alle lachen. Humor ist eben verschieden und die Arbeit ist beim Wirt. Sie verlassen den Ort, als wäre nichts passiert.
Die Wege zu Sex und Attraktionen, wie der „Ping Pong Show“, wo Frauen „Kunststücke“ mit ihrem Geschlechtsorgan vorführen, sind kurz. Alles natürlich ohne Gefühl und Hingabe, dazu Beschallung auf auditivem Wege, damit man das Ganze über die Musikbetäubung überhaupt ertragen kann und der Schein der „sehenswürdigen Attraktion“ bestehen bleibt. Danach war ich schon ein wenig traumatisiert. Du fragst mich, warum ich überhaupt dort hingegangen bin? Ich wurde mitgenommen, das nächste Mal, werde ich dankend ablehnen.
Immer wieder – in Hotels, in Restaurants oder auf der Straße – fallen mir die dickbäuchigen Europäer auf, die in ihrem höheren Alter eine jüngere und weitaus attraktivere Thaifrau bei sich haben. Die Vereinbarungen zwischen derart unterschiedlichen Menschen überraschen mich immer wieder. Sie haben sich meist nicht viel zu erzählen, sind still nebeneinander.
Das alles habe ich in einer komprimierten Version bei meiner Reise zu der Insel Ko Chang – nahe der Kambodschanischen Grenze – nochmals erlebt. Schon auf der Fähre bestehen die Reisenden größtenteils aus Pauschalurlaubern mit Thaibegleitung.
Da ich mich auf der Insel noch nicht auskenne, beschließe ich erst einmal zu dem Ort „Lonely Beach“ zu gehen. Natürlich wusste ich bis dahin schon, dass der alles andere als „lonely“ ist und sich dort viele Bagpacker treffen. Für meine Weiterreise hat es mir jedoch sehr geholfen, wie es sich später herausstellte.
Ich frage nach „cheap bungalow“ – nicht, weil ich es mir nicht wert bin, sondern weil ich „einfach“ angenehmer finde; ein weiches Bett habe ich schließlich zu Hause – und werde in eine Seitenstraße verwiesen. Es scheint die „Schinkenstraße“ von „Lonely Beach“ zu sein: Eine Bar nach der anderen, allerdings mehr im Bambus- und Bob Marley-Style, was das Niveau in meinen Augen etwas anhebt :)
An einer Ecke nehme ich Kontakt zu einem Bagpacker auf, der sich hier schon niedergelassen hat und mit einem Roller unterwegs ist. Er hilft mir weiter und fährt mich ein paar Meter zu einer Anlage, die das Gesuchte bieten soll. Dort stehen wirklich einfache Hütten, jedoch alle belegt.
Im Vorgarten liegt ein Pärchen, das mich mit „Hellooou“ begrüßt. Sie helfen mir weiter, geben mir richtig Auskunft. Sie wohnen hier schon länger, er spielt jeden Abend Piano in der Bar am Strand. Er verweist mich ein paar Orte weiter, wo es ruhiger sein soll, denn ich sage, dass ich keine Party mehr brauche. Sie nennen mir sogar ein Resort, in der ich meinen ruhigen Bungalow mit Meeresblick finden werde.
Er schlägt ebenfalls vor, erst einmal eine Nacht hier zu bleiben und es mir anzuschauen; morgen könne ich ja dann auch weiterreisen. Ich lasse mich auf diese Idee ein, weil er sehr sympathisch ist, das habe ich sofort gespürt. Seine Begleitung ist auch ein zauberhaftes Wesen, das eine Herzlichkeit ausstrahlt. Zehn Minuten später habe ich ein paar Meter mehr weiter einen Bungalow, zwar ohne Meeresblick, aber es ist ja nur für eine Nacht.
Das, was ich am Abend dort erlebe, ist ein eigenartiges Menschenschauspiel. Es ist Montag. Die Bars drehen gegen 9 ihre Boxen auf. Teilweise sind sie direkt nebeneinander und man fragt sich, ob das so laut sein muss, damit man die Musik der Nachbarbar nicht hört. Es ist so laut, dass ich schon beim Vorbeigehen daran denke, meine sensiblen Ohren mit Ohropax zu schützen.
Ich verziehe mich an den Strand, wo es wesentlich ruhiger ist. Die Menschen scheinen wegen der Party hier zu sein, nicht wegen der Natur. Jedenfalls spielte die Musik noch länger und mein Bungalow ist direkt nebenan. Ich bekomme also die Musik von 3 Bars gleichzeitig mit.
Ich war dort in einer Realität gelandet, in der ich nicht sein wollte. Eigentlich hätte ich direkt weiterreisen können. Aber dann hätte ich nicht dieses Extrem erlebt und diesen Artikel darüber nicht schreiben können.
Ich bin den Umständen also ausgeliefert und am nächsten Morgen soll meine Reise direkt zum empfohlenen Strand gehen, in dem es ruhiger zugeht. Um dieser Realität zu entfliehen, beschließe ich, es meiner Bungalownachbarin gleich zu tun, und einen Film zu sehen – Gott sei Dank gibt es Wifi. So liege ich im Bett, eine dünne Holzwand trennt mich vom lauten Partygeschehen einen Steinwurf entfernt.
Ich sehe mir das „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ an. Es geht um einen Menschen, der ein 0815-Leben führt und noch nie etwas Atemberaubendes erlebt hat, bis er sich eines Tages entschließt, die Welt zu bereisen. Ganz interessante Story, die man wesentlich spannender und mit mehr Tiefe hätte umsetzen können. Für den Zeitvertreib hat es mir jedoch genügt. Ich stecke mir Ohropax in die Ohren und versuche zu schlafen. Die Musik ist trotzdem noch leise zu hören.
Am nächsten Tag wache ich erstaunlich fit auf, hat wohl geklappt. Jetzt nichts wie auf. Rucksack packen und weiter geht’s zu „Bang Bao“. Das Frühstück lasse ich aus, weil die Dame im Straßenimbiss meint, dass es noch zu früh sei für Reis und Gemüse, so was koche sie erst später. „Aha“, denke ich mir und suche das nächste Taxi, die hier auf der Insel eine Art Monopolstellung einnehmen und horrende Preise verlangen – alternativ kann man auch einen Roller mieten.
Es gibt keine Wege, die man gehen kann, sondern nur die serpentinenartigen Straßen durch den Dschungel, auf denen jeder Fußgänger strapaziöse Berg-Tal-Wanderungen durchstehen müsste und sein Leben aufgrund des Verkehrs riskieren würde. Während der Fahrt akzeptiere ich also das Taxi und bin später doch froh, es nicht zu Fuß versucht zu haben.
Der Taxifahrer fährt mich nur bis zur Hauptstraße, den Rest muss ich gehen. „Ist auch OK so“, denke ich mir, „endlich mal wieder wandern, auch wenn’s nur kurz ist.“ Auf dem Weg zum besagten Resort, das mir der Pianist und seine Freundin empfohlenen haben, begegnet mir eines mit einem ähnlich klingenden Namen. Ich denke mir, „das muss es sein“.
Ich werde freundlich begrüßt, im wahrsten Sinne des Wortes. Es geht locker und leger zu. Gleichzeitig kommt ein Franzose in meinem Alter an. Wir setzen uns erst mal in die Open Air Lounge, ruhen uns aus und reden. Fünf Minuten später gehen wir auf die kleine Bühne, weil er als Gitarrist täglich Konzerte gibt und spielen möchte. Ich begleite ihn mit 4 Akkorden auf der Konzertgitarre, während er auf der E-Gitarre eine Melodie improvisiert. Es fühlt sich gut an und mir gefallen seine Töne.
Nachdem wir die Bungalows gezeigt bekommen haben, ist mir zu 99% klar, dass das der Ort ist, an dem ich erst mal bleiben werde. Der nächste Tag bestätigt dies: Das Bunglow ist neu gebaut und nicht so ganz verlottert, wie die im Nachbarresort zum gleichen Preis; es gibt Wifi im Bunglow; ich hab den geilsten Blick auf das Meer, den ich mir wünschen konnte; in den Klippen kann ich mich zurückziehen zum Meditieren, Lesen und Allein-Sein; die Nachbarn sind ultranett und er herrscht eine familiäre Atmosphäre.
Ich bin froh, hier zu sein und genieße die Stille, das Sein. Am Ende habe ich also doch das bekommen, was ich mir gewünscht hatte, eigentlich sogar viel, viel mehr als das.
Zum Weiterlesen
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Foto: shnipestar / photocase.com
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